Kommunikation der Achtsamkeit

"Hoffnung ist nicht die Überzeugung, daß etwas gut ausgeht, sondern die Gewißheit, daß etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht."    Vaclav Havel

Über den Titel "Gewaltfreie Kommunikation"

In den Jahren unserer Arbeit mit dem Modell Marshall B. Rosenbergs erlebten wir häufiger auffallend ähnliche Reaktionen auf die Namensgebung dieses Ansatzes - die Menschen reagierten empfindlich, ärgerlich oder sogar mit Ablehnung. Dies erlebten wir in nationalem oder internationalem Zusammenhang, bei Newcomern wie bei alten Hasen und TrainerkollegInnen. Selbst von Marshall haben wir sagen hören, er möge diesen Namen selbst auch nicht.-
Nach einiger Zeit unterwegs mit diesem kontroversen Titel haben wir uns entschieden, unter der Bezeichnung

Kommunikation der Achtsamkeit

zu arbeiten und aufzutreten - nach wie vor in treuen Fußstapfen zu Marshall´s die Menschenwürde hoch achtenden Ethik und Grundlagenmodell.


Hier ein paar unserer Gedanken zu dem erfahrbar auftretenden Unbehagen zum Begriff         "Gewaltfreie Kommunikation".....

In meinem Verständnis drückt der Begriff "Non-violent" - wörtlich übersetzt: "Nicht-gewalttätig" das Gegenteil von Integration aus. Nicht-Gewalttätig - oder gewaltfrei schließt in der Bezeichnung bereits Gewalt bzw. Gewalttätigkeit aus. Wir erachten den Wunsch, gewaltfrei zu leben als einen nachvollziehbaren und berechtigten menschlichen Wunsch.
Dennoch: wie kommt es, dass dieser Titel so zahlreiche Reaktionen von "Againstness" - Dagegen-Sein auslöst, begleitet von den entsprechenden unkomfortablen Gefühlen?

Immer wieder löst diese Bezeichnung, insbesondere in Inhouse Schulungen, vorab große Skepsis, manchmal sogar Aggression aus: "Gewaltfrei? - Das brauch´ich nicht!" 

Gewaltfrei - oder "nicht gewalttätig" drückt bereits eine Exklusion aus, den Ausschluß von einer wenn auch zumeist ungeliebten menschlichen Schattenseite. Dabei kennt u.Erm. fast jeder so etwas wie z.B. Arger, oder sogar eine "Mordswut" und andere, i.d.R. ungeliebte menschliche Gefühle. Unbewußt scheinen die Menschen diese Abtrennung zu erfassen, die den Begriff "gewaltfrei" hören , und schlußfolgern vermutlich, dass es - wie schon oft in ihrer Biografie erlebt - nur wieder um ein weiteres Sich-Zusammenreißen gehen solle und das Hochhalten schier unerreichbarer ethischer Ideen. Dieser Schluß löst dann mal unbewußt Aversionen aus oder auch mal offene, ärgerliche Reaktionen. -

In unserer Arbeit und Forschung mit und durch das Modell Marshalls wurde uns offenbar, dass der Versuch, Teile von uns, unserer Menschlichkeit auszuschließen, widerum nur Gewalttätigkeit triggert und nährt . Nachvollziehbar - denn die Abspaltung auch von Teilen von uns wird von den meisten Menschen instinktiv als eine Bedrohung ihrer Integrität und ihres Ganz-Seins aufgefasst.

Aus diesem Grund wählen wir in unserer Arbeit den Weg, die Menschen/uns selbst exakt dort abzuholen, wo sie sind: AUCH, wenn sie im tiefsten Zorn oder Hass sind, eine "Mordswut" haben. Es geht darum, einen Container anzubieten, die ungeliebten Schattenseiten in uns zuzulassen, sie zu erfahren, indem wir sie emotional fühlen - und auch unsere Körperantwort dazu fühlen. Unsere Emotionen wollen fühlend bejaht werden. Es geht darum, zu verstehen, dass diese Gefühle die Botschafter sind eines Ereignisses, eines Traumas individueller oder kollektiver Natur, welches im Moment, als es geschah, nicht zu Ende gefühlt werden konnte. Es wurde eingefroren, schockgefroren aus Überlebens- oder Sicherheitsgründen in unserem biologischen und psychischen System - das wird auch Dissoziation genannt. Speicherort ist u.a. unser Körper. In unserer Gesellschaft sehen wir keine signifikante Kultur der Gefühle. Wenn es um Gefühle geht, dann eher darum, wie man sie kontrollieren könne. 

„Gefühle sind Mittel des Erkennens und keine Denkhindernisse.“    

Fritz Perls, Begründer der Gestalttherapie


Die tragische Konsequenz daraus kennen wir alle: Hass, extreme Wut, die nicht gefühlt werden dürfen, müssen irgendwann ausagiert werden. Das ist in meinen Augen der Grund dafür, dass soviel Gewalttätigkeit in unserer Gesellschaft sichtbar wird. Wir leben in einer "Zusammenreiß-Gesellschaft", in der wir es weniger und weniger schaffen, all das "Zusammengerissene" in uns noch zurück zu halten. Es geht nach und nach über die vorhandene Vitalkraft unserer Physis hinaus, all diese Gefühlsladungen zu halten. Ob sie sich in Krankheiten oder nach draussen explodierender Gewalt ausdrücken, in psychischen oder sozialen Strukturen, das ist nur eine Frage der Form - in jedem Fall ein Notausweg unseres Systems. Wir sind ausgebrannt - all das Sich-Zusammenreißen ohne das Angebot einer heilsamen Alternative in unserer Kultur bringt uns derzeit in den kollektiven Burnout.
Ärger und z.B. Gewaltimpulse und deren dazu gehörige Körperantwort, denen es erlaubt ist, in uns aufzutauchen, weil deren mit einhergehende Gefühlslagen erfahren werden dürfen -
ein solcher Ärger muß nicht mehr destruktiv ausagiert werden.
Wohlgemerkt: dafür braucht es einen sicheren Raum, auch sicheres Containment genannt.

Wir bedauern, dass der international verwendete Titel dieses brillianten und extrem hilfreichen Modells von Rosenberg - in unserer Sicht - im Inhalt weder die Kernidee Rosenbergs widerspiegelt noch unsere Auffassung davon, was ein integrierender Prozess ist in zwischenmenschlichen Konflikten - mit uns selbst sowie mit unseren Mitmenschen. Es hilft nunmal nicht, sich "gewaltfrei" zu denken oder zu nennen, oder sich die Clubkarte der "Gewaltfreien" zuzulegen, wenn man damit sich selbst über die eigenen Schatten und die eigene Menschlichkeit hinweg zu täuschen versucht. Ein Trauma und unsere daraus entstandenen Denk-, Sprach- und Verhaltensmuster verschwinden eben nicht dadurch, dass man sie weghaben will. Sie verschwinden auch nicht, indem man ein 4-Schritte-Modell darüber pflastert. Auf dem Weg zu einem heilsamen Umgang mit uns selbst kommen wir nicht an uns selbst vorbei.
Wir kommen nicht daran vorbei, den erlebten und offensichtlich nicht zu Ende gelebten Erfahrungen in uns bewußt den ihnen zustehenden, emotionalen Raum zu geben. Sonst werden sie unerwünschte Mitspieler - in jedem Kommunikationsmodell.

Es wird bei der Arbeit an unserer eigenen Persönlichkeit schließlich darum gehen, uns selbst nach und nach ganz Heimat zu sein.

Nach wie vor arbeiten wir definitiv mit und durch das Modell Marshalls, das u.E. mehr denn je ein extrem effizientes Werkzeug ist, reine Beobachtung und damit Unterscheidungs-vermögen zu entwickeln. Damit entsteht Klarheit und Einfachheit in unseren Beziehungen:
Aus Unterscheidungsvermögen ergibt sich nach und nach tiefes Verstehen.
Aus tiefem Verstehen geschieht Würdigung.
Würdigung unserer selbst und des Mitmenschen.
A C H T S A M K E I T .


Muss ich mich ändern, muss der andere sich ändern?
Müssen wir alle „edlere“ Menschen werden, Gefühle unter Kontrolle bringen
und so genannte Schattenseiten eliminieren?

In der Kommunikation der Achtsamkeit geht es nicht um Kontrolle und Eliminieren
oder das Ziel, ein „besserer“ Mensch zu werden -
es geht in der Essenz um tiefste Würdigung dessen, was I S T .

 
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